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Essay über Köln



Ein Text von Klaus Jans (2010)

 

 

 

STADTSTEINBRUCH

 

            Ein kleiner Spaziergang

                von Klaus Jans



Die Stadt dampft. Die U-Bahn saust. Ein Taxi bremst. Die Menschen eilen. Die Welt ist in Aufruhr. Die Sirene heult. Nichts ist in Ruhe. Alles bewegt sich. Überall droht die Hast. Die Menschen verstecken sich im Dahinrennen vor dem Selbst.

Ach große Stadt, die wir bewundern. Ach große Stadt, die uns ängstigt.

In Köln ist alles anders. Eine Millionenstadt. Aber nicht groß.

Köln ist nicht Berlin. Köln ist nicht Hamburg. Köln ist auch nicht München.

Da sind diese Häuser ohne Gesicht. Eines gleich wie das andere. Die Fenster sind eher klein, gedrungen auch die Stockwerke, und dazwischen ich, der ich mich umschaue und hier und da hochgucke.

Ich darf nicht an Meschenich denken, nicht an Chorweiler. Alles Stadtteile. Die Stadtteile der Expansion der 70er Jahre. Mir reicht schon dieses normale Köln, welches sie so aufgebaut haben, weil Krieg war.

DER KRIEG TRÄGT STADTSCHULD

Der Krieg hat so vieles zerstört und Köln zu einem Flickenteppich gemacht.

Händeringend sucht man Altbauten, händeringend. Doch sie stehen nur einzeln da, selten ganze Straßenzüge. "Geh in die Südstadt!", heißt es immer. Oder schau doch mal da in Nippes, aber dann gezielt, sagt man.

Aber ich suche und suche und bleibe immer wieder an den 50er Jahren hängen, auch an den 60ern, und ich denke, wie betrüblich das alles doch ist. Schnellnotarchitektur. Oh Deutzer Freiheit.

Ich werde die Neusser Straße hochfahren. Vom Ebertplatz weit nach draußen, bis durch Weidenpesch zum Militärring, da habe ich dann Straße und Häuser, nichts passt, nichts ist süßschön, alles wirkt wie ein zusammengestückeltes Etwas, bis die kleinen Häuser dazwischen (vor)kommen, die man vergaß.

Alte Häuser, aber nicht uralte, vielleicht veraltete, die von kleinen, bescheidenen Menschen erzählen, bis die Stadt kam, und sich alles einverleibte, dass es auch Teil von Köln wurde, und man sieht es so schön an der Neusser Straße, deren Verlust ... und den Wiederaufbau ... und das ewige Flickstückeln, bis hin zu den Fronten, die vor- und zurückspringen, immer wieder vor und zurück, als trieben sie mit uns das Spiel "Ich weiß nicht, wie breit die Straße sein soll".

So also kann Köln sein, die geschundene Stadt, die sich die romanischen Kirchen wieder erbaute, den Dom ausbesserte, der zum Glück 1945 kaum beschädigt war, und dann lachen die Menschen, weil wir eben in Köln sind.

Die Häuser sind bisweilen trist und funktional, eng manche Straße, aber die Menschen machen um so mehr daraus, sie sind quirlig und lebendig, sie lassen sich nicht von den Steinen ihr Leben bestimmen, sie wissen, dass Köln nicht Paris ist ... und auch nicht London oder Rom.

"EINFACH" IST DAS LIED DES MENSCHENSCHLAGES

Wenn sie sich ihre hohlgesichtigen Glanz-Fernseh-Studios bei Köln anschauen, in Hürth, oder in Köln-Ossendorf, dann wissen sie, dass auch die Fernsehherrlichkeit nichts von einem mondänen Babelsberg hat. (Schon ja nicht L. A.) Aber RTL sendet von hier. Der WDR. Große Sender, kleine Fluchten.

Einfach ist man.

Köln ist immer schon anders gewesen. Dennoch atmet dieser kölsche Mensch mit jedem Zusammentreffen. Es ist ein Fest. Dort in der Kneipe kann er stehen und diesen fragen, den er nicht kennt. Oder jene loben, die er noch nie sah.

Der Kölner und die Kölnerin, sie sind alle beide ein Teil dieses wachsenden Organismus, wo man sich schnell kennt und dann diese Gemeinsamkeit feiert, die einen nie verlässt, als wäre das Million-Köln wie eine Hallig in der Nordsee, mit nur wenigsten Einwohnern.

So sind die Kölner ein eigener verschworener Club, jeder für jede, und umgekehrt. Aber offen.

Sie sind immer zusammen und immer aneinander dran. Sie verzeihen die Betrügereien des Klüngels und feiern sich selbst in unendlicher Demokratie von den kleinen Gruppen und Grüppchen ... bis zu zu den seltsamen Konstrukten, die Karneval auflaufen, als Veedelsverein oder Kneipenkonsortium. Immer die Basis. Kölner sind überall, sie lassen sich von den Steinen nichts sagen. Auch nicht von Autoritäten.

DIE MENSCHEN SIND SO VIEL MEHR ALS DAS GESTEIN

Kölner stehen über der Stadt. Sie haben sich über das hässliche Gestein kraft ihrer Seelen erhoben. Kölner trotzen den Verbauungen, die sie selber angerichtet haben und heute noch anrichten.

Wenn eine Stadt wie Kleidung ist, dann haben die Kölner nur ein schickes Teil: den Dom. Wir nehmen auch den Bahnhof dazu, diese Stahlkonstruktion (beim Dom ist im Übrigen das Dachkonstrukt aus Stahl, wohl, wohl!) von vor 1900. Vielleicht noch hier und da ein singuläres Stück moderne Architektur. Dann geben wir ihnen noch ihre romanischen Kirchen. Ja, ja. Und den Rhein. Ansonsten Steine, Fronten, Fassaden, die einen bedrücken. Beengen. Klein machen. Wunden.

Sie lassen sich vom Krieg nichts kaputt machen, die Kölner, auch wenn das Stadtbild so beschädigt sei. Auch eine Skandal-U-Bahn wird sie nicht kleinmachen. Sie trotzen sogar der Nord-Süd-Fahrt, indem sie diese einfach lassen, sich selbst überlassen, uns dem Verkehr überlassen, der alles in Stücke schneidet.

Ach, gemartetes Köln. Spielball der Korruptionäre. Fast ohne Archiv. Aber ohne Gedächtnis? Man wird sehen!

DAS KLUGE, BESCHEIDENE LEBEN IN ANMUT FEIERN

Doch die Kölner suchen sich selber den Weg durch die Widrigkeiten und lachen sich weiter und weiter in die Fäuste, über alle diese langsam tranigen Menschen, die an der Schönheit der Steine hängen, die nur Wohnungen von 4,20 m Höhe akzeptieren ... und die nicht wissen, dass auch in Schuhkartons herrliche Feste veranstaltet werden können, selbst zur diamantenen Hochzeit.
 
Diese Kölner Kraft, betankt durch immer neue Menschen, aus allen Ländern, aus allen Nationen, die man hier aufnimmt und empfängt, dem Rassismus sehr fremd, ganz anders als andere, und immer von unten, immer an der Basis, immer nah am Volk, das ist Köln.

So feiern sich die Sparkassenführer mit den Schlossern, begleitet von vielen Bands, die das Karnevalslied als irische Warmhaltemelodie erklingen lassen, oder als brausende Rockmusik mit türkischen Zitaten, weil Kölner an sich selber hängen, nicht am Material, sondern am Menschen, der pocht und pocht, weil er diese Stadt ist, das "Hätz" und die "Zick" und das Leben.
 
DAS EWIG GLEICHE IST NIE GLEICH

So ist Köln nun mal eben. Und wir ziehen durch die Straßen, die ... eines wie das andere ... versprechen. Das ewig Gleiche von Werkstatt, Bäckerei und Sparkasse. Die Fenster ohne Besonderheiten, die schlichten Türen, die einfachen Materialien.

So ist Köln. Und Köln pocht den Rhythmus aller Zeit in eigenen Melodien. Auch hier lässt es sich aushalten, weil man den Menschen wichtiger nimmt als die Bauschürfungen gänzlich Unbegabter, denen einfach kein Gold gelingt.

Da, zwischen den Gleisen ist dieser eine, einsame Künstler mit den rostigen Großskulpturen.* Im Schatten zweier Großbordelle. Ihn, den sie aus dem ehemaligen Eisenbahnausbesserungswerk vertrieben haben. Aber er schweißt weiter und weiter, wenn auf drei Gleisen die Züge dahindonnern. Unweit vom namenstrügerischen Mediapark, ach: MediaPark, dieser Neuglanzattrappe, lebt die Arbeit an der Kunst des Menschen.

Niemand vergisst Köln. Niemand die Kölner. Sie leben.

So gehe ich weiter und weiter. Ich werde in den Kern vorstoßen. Den Kern der Menschheit, von Römern gespeist, mit Napoleon in die Moderne gestoßen, von den Millowitschs ins Kleine-Leute-Tum als Brauchtum verbracht.

Hier will ich sein, Schritt für Schritt, und weitergehen. Zur Not auch bis in die Wasser vom Rhein. Und dann eine Großstadt träumen.

Du! Trink noch einen mit!


___

* Gemeint ist "Odonien", Künstler Odo Rumpf.

(Der  Text wurde hier für die Homepage-Variante nochmals durchgesehen und evtl. rechtschreibemäßig korrigiert und auf die neuere Rechtschreibung angepasst.)

EIN TEXT VON KLAUS JANS, Erstversion 23.2.2010






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